Unternehmen, die Lupinen als Rohstoff oder Zutat verwenden oder mit lupinenhaltigen Erzeugnissen handeln, sind gut beraten, sich in der Gefahrenanalyse mit den Chinolizidinalkaloiden (QA) auseinanderzusetzen. |
Das BfR und das FLI berichten in einer gemeinsamen Stellungnahme über die in den Lupinen enthaltenen Bitterstoffe und ihre möglichen gesundheitlichen Wirkungen auf Mensch und Tier. Die Datenlage scheint noch nicht ausreichend zu sein, um abschliessende Aussagen machen zu können.
Stellungnahme 051/2024 vom 7. November 2024 (gemeinsame Stellungnahme von BfR und FLI)
Zusammenfassung:
Lupinen gehören zur Pflanzen-Familie der Hülsenfrüchtler, wie auch Sojabohnen, Erbsen oder Erdnüsse. Sie sind sehr eiweissreich und werden auch aus diesem Grund als Futtermittel für Tiere genutzt. Allerdings stecken in Lupinen Substanzen, die unerwünschte Wirkungen auf Mensch und Tier haben können, darunter so genannte Chinolizidinalkaloide, kurz QA. Diese Bitterstoffe können Vergiftungen verursachen, die mit Symptomen von Bewegungsstörungen über Magen-Darm-Beschwerden bis hin zu Lähmungen und Herzrhythmusstörungen einhergehen können. Der QA-Gehalt in Lupinen schwankt unter anderem in Abhängigkeit von der Lupinen-Sorte, den Anbaubedingungen und dem Düngemanagement beim Anbau. Gesetzlich festgelegte Höchstgehalte für QA in Lebensund Futtermittel gibt es derzeit noch nicht.
Im vorliegenden Bericht haben Forschende des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) geprüft, ob eine QA-Aufnahme über Futtermittel die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Nutztiere beeinträchtigt und ob beim Verzehr tierischer Produkte auch unerwünschte Wirkungen auf den Menschen zu erwarten sind.
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass für eine gesicherte Einschätzung zu diesen Fragen derzeit zu wenige wissenschaftliche Daten vorliegen; die vorhandenen Studien liefern teils widersprüchliche Ergebnisse. Allerdings sind gesundheitliche Auswirkungen auf Nutztiere bei praxisüblicher Fütterung möglich. Dies zeigten Berechnungen, die den Wert für die tägliche tolerierbare QA-Aufnahmemenge bei Schweinen sowie die vorliegenden Angaben zum QA-Gehalt von (bevorzugt verfütterten) blauen Lupinen (Lupinus angustifolius) zugrunde legen. Der Wert für Schweine wurde herangezogen, weil diese besonders empfindlich auf QA reagieren.
In einer Fütterungsstudie am BfR wurde gezeigt, dass QA in die Milch von Milchkühen übergehen. Modellierungen haben ergeben, dass es grundsätzlich auch beim Menschen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen kann, wenn Milch von Kühen konsumiert wird, die Lupinen mit hohen QA-Gehalten gefressen haben. Kleinkinder gehören dabei aufgrund ihres hohen Milchkonsums zu den Risikogruppen.
Um die Eignung von Lupinen als Futtermittel fundierter bewerten zu können, empfiehlt das BfR, mehr Untersuchungen zum QA-Gehalt in den Samen und in den zusammengestellten Futtermitteln durchzuführen und dabei Einflussfaktoren wie die Lupinen-Sorte, die Anbauweise oder das Anbaugebiet zu berücksichtigen. So könnten Massnahmen identifiziert werden, über die sich der QA-Gehalt in den Pflanzen reduzieren lässt. Zudem sollten die gesundheitlichen Auswirkungen auf die Nutztiere genauer erforscht werden.
AGES beschreibt die Chinolizidinalkaloide in einem Steckbrief:
Beschreibung: Chinolizidinalkaloide (QA) sind Alkaloide, die vor allem in Lupinen aus Lysin im grünen Gewebe der Pflanze hergestellt und in allen Pflanzenteilen, einschliesslich Samen, gespeichert werden. Diese sekundären Stoffwechselprodukte der Pflanze dienen ihr zur Abwehr von Krankheitserregern und als Frassschutz. Es gibt über 170 bekannte Chinolizidinalkaloide in den verschiedensten Lupinenarten. Je nach botanischer und geografischer Herkunft, Bodenzusammensetzung und Klima sind die Gehalte an Chinolizidinalkaloiden unterschiedlich. Diese Alkaloide können beim Menschen zu Vergiftungen mit Symptomen wie Schwindel, Verwirrtheit, Herzrasen, Übelkeit, Mundtrockenheit, motorischer Kontrollverlust bis hin zu Herzstillstand und Atemlähmung führen.
Vorkommen: Chinolizidinalkaloide wie Lupanin, Lupinin und Spartein sind vor allem in Lupinen vorhanden. Lupinen werden als Futtermittel und zur Gründüngung verwendet sowie als Lebensmittel und Zierpflanzen.
Lupinensamen können aufgrund ihres Alkaloidgehalts in Bitterlupinensamen (hoher Gehalt) und Süsslupinensamen (geringer Gehalt) eingeteilt werden. Als Lebens- und Futtermittel werden hauptsächlich Süsslupinen verwendet, da bei diesen der Alkaloidgehalt mittels Züchtung reduziert wurde. Die Wildformen, sogenannte Bitterlupinen, weisen hohe Mengen von Chinolizidinalkaloiden auf. Durch eine Vorbehandlung ist eine technische Entbitterung möglich, allerdings besteht die Gefahr, dass Lupinen unzureichend entbittert werden und somit weiterhin zu einer Vergiftung führen können.
In den vergangenen Jahren wurde die Lupine in der vegetarischen, veganen oder glutenfreien Ernährungsform durch ihren hohen Proteingehalt immer beliebter. So sind beispielswiese folgende Lupinenprodukte erhältlich: Lupinen in Fleischersatzprodukten, in Milchersatzprodukten (z. B. Eis, Joghurt…), Aufstrichen, Backwaren, Nudeln, Getränken, Kaffeeersatz und Knabberei (z. B. Tremoços) und Lupinenmehl.
In Österreich werden landwirtschaftlich die Schmalblättrige oder Blaue Lupine (Lupinus angustifolius) sowie die Weiße Lupine (Lupinus albus) genutzt. Hülsenfrüchte leben in Symbiose mit stickstoffbindenden Wurzelknöllchenbakterien und verbessern somit durch Stickstofffixierung die Bodenqualität, daher wird die Lupine auch als Gründüngung eingesetzt.Gesundheitsrisiko: Vergiftungsfälle durch Lupinensamen kommen nicht häufig vor, stellen allerdings dennoch eine ernsthafte Gefahr für die betroffenen Menschen dar. Es gibt nur wenig dokumentierte Berichte von Vergiftungsfällen mit Lupinensamen, wobei Kinder mehr davon betroffen sein dürften als Erwachsene. Die folgeschwersten dokumentierten Vergiftungsfälle stammen aus den 70-er Jahren: drei Kinder im Alter von 10 Jahren, 1,5 Jahren und 17 Monaten verstarben nach dem Verzehr von Lupinensamen. Die Alkaloiddosis dieser beschriebenen Vergiftungsfälle lag im Bereich von 11 – 25 mg/kg Körpergewicht. Es wird derzeit davon ausgegangen, dass Dosen ab 10 mg Lupin-Alkaloiden pro Kilogramm Körpergewicht tödliche Folgen haben könnten. Vergiftungsfälle durch den Konsum von industriell hergestellten Lupinenprodukten sind nicht bekannt (BfR, 2017, EFSA, 2019).
Situation in Österreich: Es gelten aktuell keine Höchstgehalte für Chinolizidinalkaloide in Lebensmitteln. Untersuchung Chinolizidinalkaloide in verschiedenen Lebensmitteln: Schwerpunktaktion Chinolizidinalkaloide in lupinenhaltigen Produkten – Monitoring
Tipps: 1. Auf bitteren Geschmack bei Lupinensamen achten, dies ist ein Hinweis für die unerwünschten Alkaloide. 2. Das bitter schmeckende Einweichwasser von Lupinensamen keinesfalls verzehren bzw. nicht für die Zubereitung von Speisen verwenden, sondern abgießen und die Lupinen mit frischem Wasser spülen. 3. Industriell hergestellte Lupinenprodukte verwenden, da alkaloidarme Sorten wie Süßlupinen dafür verwendet werden. 4. Auf entbitterte Bitterlupinensamen vorsichtshalber verzichten. Der Entbitterungsprozess kann eventuell nicht ausreichend zur Reduktion der unerwünschten Alkaloide führen.
Fachinformation: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) veröffentlichte im Jahr 2019 eine wissenschaftliche Stellungnahme bezüglich CA in Futter- und Lebensmitteln. Aufgrund fehlender Informationen bezüglich der Aufnahmemenge von Lupin-Alkaloiden bei der keine unerwünschten Effekte auftreten, konnte die EFSA keine sichere Dosis für den Verzehr ableiten. Daher wurde für eine Risikoabschätzung der Margin of Exposure Ansatz gewählt. Laut Ableitung der EFSA treten ab 0,16 mg Spartein/kg Körpergewicht akute pharmakologische (antiarrhytmetische) Effekte auf. Folglich kommt die EFSA zu dem Schluss, dass die Aufnahme geringerer Mengen als 0,16 mg/kg Körpergewicht an Lupin-Alkaloiden auf keine gesundheitlichen Bedenken hinweisen. Bezüglich der chronischen Aufnahme konnte ebenfalls aufgrund fehlender Daten kein gesundheitsbasierter Richtwert abgeleitet werden (EFSA, 2019).